Das erste Mal Eltern werden ist Hardcore
Barbara Sennert, 2014/2015
Ich bin den ganzen Tag allein. Mit einem Säugling. In einer Stadtwohnung. Klar, ich geh Mal spazieren, treffe mich mit anderen Mamis. Aber ich fühl mich allein. Mein Mann arbeitet den ganzen Tag. Die Nächte sind mies. Ich fühle mich überfordert. Den ganzen Tag kümmere ich mich und am Abend habe ich das Gefühl, nichts geschafft zu haben. Und dann höre ich endlich den Schlüssel im Türschloss und springe schon fast auf. Ich habe so lange gewartet. Ich springe auf und drücke meinem Mann das Kind in die Hand. Ich will nur noch meine Ruhe! Ich will fünf Minuten allein aufs Klo... Oder duschen... Ja, in Ruhe duschen...
Heiko Sennert, zur gleichen Zeit
Ich arbeite Vollzeit im Büro. Ich bin übernächtigt. Ich bin Teamleiter, habe Verantwortung, brauche einen klaren Kopf um Entscheidungen zu treffen. Nach der Arbeit gehe ich einkaufen und überlege was ich heute Abend koche. Zuhause kommt mir meine Frau entgegen. Es gibt wenig Worte, eine kurze Umarmung, dann habe ich den Sohn auf dem Arm und sie ist weg.
„Sie brauche Ruhe“ - „Okay, denke ich – wer nicht?“ Ich koche. Wir essen. Smalltalk über den Tag. Ich binde den Kleinen in ein Tuch und laufe mit ihm durch die Stadt bis er endlich einschläft. Ich komme nach Hause. Viel zu früh, aus Barbaras Sicht. Sie legt sich mit ihm ins Bett und schläft dort ein. Ich sehe, dass es ihr überhaupt nicht gut geht. Ich versuche ihr so viel Raum wie möglich zu schaffen. Aber ich bekomme es einfach nicht hin.
Wir beide heute, neun Jahre weiter
Heute ist vieles anders. Das war der erste Wendepunkt für uns und wir sind seither vieles angegangen. Heute leben und arbeiten wir zusammen. Ich bin an meiner Depression gewachsen und Heiko ganz und gar über sich hinaus. Wir haben zwei wundervolle Kinder. Wir sprechen mit offenen Herzen - klar, ehrlich, direkt, achtsam, frei.
In diesen neun Jahren haben wir viel erlebt und über uns erfahren. Es war mitunter schmutzig und mühsam.
Und dann haben wir, nach all dieser mühsamen Arbeit, irgendwann wieder angefangen miteinander zu spielen. Eben weil die ernsthafte Erwartung an etwas oder jemanden ein Arschloch ist und nix kann. Miteinander zu spielen hat uns Räume eröffnet. Räume mit den unterschiedlichsten Türen, mit wundervollen Fenstern und der krassesten Aussicht.
Wir wurden nicht müde. Wir haben mehr als einmal unser Leben ganz neu entworfen und dann wieder alles über den Haufen geworfen, weil es sich einfach nicht mehr stimmig angefühlt hat und weil wir uns so sehr lieben.
Unser Kompass sind bedürfnisorientierte Beziehungen – es sind Partnerschaften und Familien, in denen sich alle zeigen, alle einander sehen und in denen sich alle frei entfalten können. Da bleiben Reibungen und Konflikte nicht aus. Doch wenn wir sie nicht wagen, was dann?
Unser "Geheimnis" ist kein großes Geheimnis:
Wir sprechen miteinander. Was wir uns erschaffen haben ist, von Herz zu Herz zu sprechen und uns einander zu zeigen, wir wir sind.
Wie das geht? Ganz einfach, aber nicht immer leicht 😉✌️