Vater unser im Himmel – sag mal, fehlt da nicht was?

Es war Schulbeginn. Und traditionell – in Bayern zumindest – begeht man den mit einem Gottesdienst. Das Wort allein spricht schon Bände. Dienst dem Gott. Aha.

Ich gehe kaum noch zu solchen Veranstaltungen. Es sei denn, jemand ist gestorben oder es hat was mit der Schule und meinen Kindern zu tun.

Ich sitze also da und lausche der Liturgie und immer wieder ist die Rede von diesem Gott. Vater. Herr. Es ist die Rede von Vater, Sohn und heiliger Geist. Beim Segen schlussendlich, als es wieder heißt „Gott segne euch“ möchte ich schier aufspringen und schreien:

„Und Göttin auch!“

Herrje! So eine grenzenlose patriarche Indoktrination. In 2025. Ah, warte. Wegen dieses ganz besonderen Gotteskindes wurde unsere Zeitrechnung ja erst eingeführt. 2000 Jahre und ein viertel Jahrhundert beten Menschen diesen halbgaren Scheiß vor sich hin.

Halbgar, denn da fehlt die Hälfte.

Und zwar eine erhebliche Hälfte. Die nämlich, durch die nahezu alle Lebewesen in diese Welt geboren werden. Die Mutter. Und da spreche ich nicht von einer denunzierten Eva oder einer degenerierten, zum jungfräulichen Ideal stilisierten Frau, die sich von einem Gott hat schwängern lassen – das mutet ja schier griechisch an. Ich spreche von Mutter Erde. Der Mutter, durch die alles Leben auf diesem Planeten geboren wird. Der Mutter, die alle nährt und hält und schützt. Groß, stark, sanft und schön. Wie kann es sein, dass Menschen noch heute diesen runtergeleierten Gebeten anhängen? Frauen!

Ich wurde im katholischen Umfeld groß. Meine Verbindung zur Kirche bekam den ersten Knacks nach meiner Kommunion. Ich wollte Ministrantin sein. Ich wollte auch eine Dienerin Gottes sein. Durfte ich nicht. War ein Mädchen. Im Nachbarort war das zu dieser Zeit schon kein Thema mehr – der Pfarrer dort hatte sich aber auch schon immer wegen seiner allzu weltlichen Art anfeinden lassen müssen. In unserem Ort war alles streng konservativ. Das hat mich hart getroffen. Ich war es also als Mädchen nicht wert, mich in den Dienst zu stellen. Und das war abhängig von dieser einen Person: Dem Pfarrer. Das war 1990.

Es hat sich manches verändert seitdem, das stimmt. Frauen halten Gottesdienste – aber das Amt als Priesterin, das dürfen sie nach wie vor nicht annehmen.

Die Arbeit ja, die Anerkennung und die Würden, nein.

Ich finde ja, das ist weit verbreitet in unsrer Gesellschaft…

Lange Zeit habe ich mich noch eingehend mit dem Glauben und dem Katholizismus befasst. Wollte verstehen. Fand ja nicht alles schlecht. Habe unter anderem in Religion Abitur gemacht. Nur dieses Hängen an männlichen Authoritäten, ohne die eine Verbindung zu Gott gar nicht möglich sei, die uns arme Sünder von selbigen freisprechen müsse – was für ein Geschäft! – damit wollte ich mich nie abfinden. Da stimmte meinem Gefühl nach etwas ganz und gar nicht.

Ausgestiegen, also exkommuniziert, bin ich schließlich, nachdem etwa um 2005 herum, diese fürchterlichen Missbrauchsgeschichten an Kindern im Raum standen. Da reichte es mir dann endgültig. Ein diffamierendes Frauenbild, Gewalt an Kindern. Damit wollte ich mich nicht ein bisschen mehr identifiziert sehen. Ich ging mit den Worten: „Ich bin zu gläubig um weiterhin diesem Verein beizuwohnen“.

Ja, das bin ich. Gläubig.

Ich glaube an das Leben, das Universum und den ganzen Rest.

Ich glaube an die Schönheit der Welt, das Gute im Menschen, die Kraft und die Herrlichkeit. Heute noch. Aber nicht mehr exklusiv unter der Schirmherrschaft eines Clubs. Eine weitere Sache, die ich übrigens nie habe verstehen können war, wie man sich gerade unter Moslems, Juden und Christen so derartig die Köpfe einschlagen konnte und noch immer kann. Die sprechen doch alle am Ende vom gleichen Gott. Welche Motivation kann es anders haben als territorial und interessengesteuert?

Ich bin pragmatisch geworden mit den Jahren. Und ich bin der Überzeugung, dass ich kein mittleres Management brauche, um mit der Führungsetage in Verbindung zu treten.

Gemeinschaft, ja, das ist an Gläubigen eine schöne Sache. So man sich denn auf den Inhalt einigen kann. Und das kann ich leider nicht guten Gewissens.

Seit mehr als zwei Jahren treffe ich mich einmal im Monat mit Elders (Großmütter und Großväter, Ältesten) aus den unterschiedlichsten indigenen Völkern aus Südamerika, Hawaii, Neuseeland, Amerika, Alaska und vielen Ländern mehr. Das world wide web macht es möglich. Ich habe so viel gelernt. Vor allem aber eines: Die Stellung der Frau ist nicht gottgegeben von einem katholischen Oberhaupt.

Das Würdigen und Ehren der großen Mutter ist lebendig. Und das macht mir große Freude! Es würdigen und ehren nicht Frauen die Mutter und Männer den Vater – beide tun beides.

Da ist ein Gleichgewicht aus Vater Himmel und Mutter Erde.

Bei den Maori heißen sie Ranginui und Papatuanuku, in Kolumbien spricht man von Mutter Erde und Vater Sonne. In diesem Kreis sprechen und singen und beten Frauen und Männer.

Und so wird es mir zunehmend unmöglich, diese alten, patriarchalen Strukturen, wie sie in den meisten Weltreligionen herrschen anzuerkennen – und das tun sie: sie herrschen.

Mein Unverständnis ist groß, dass in einer renommierten Schule wie der, deren Zeremonie wir gestern beigewohnt waren, so unreflektiert der alte Scheiß runtergebetet und damit weitergegeben wird. Wirklich! 2025 und jenseits von aufgeklärt. Eine Schule. Ein Ort von Bildung. Ein Ort, der von Offenheit lebt, von Weite, von Integration. Wer die Schöpfung unterrichtet, darf nicht den maßgeblichen Teil und mehr als die Hälfte der Menschheit außen vor lassen. Tradition und Gewohnheit hin oder her. Das ist keine katholische Schule, von der wir hier reden. Und da hilft es auch nicht, dass den Gottesdienst nur Frauen gestaltet haben.

Wir sind alle kosmische Kinder, geboren aus der Mutter leben wir unter dem Himmelszelt.

Das kann unmöglich so schwierig zu akzeptieren sein.

Es sei denn, man hängt sich unreflektiert an alte Dogmen. Und davon hat gerade die katholische Kirche ja eine ordentliche Menge. Die Geschichte der Kirche ist eine Geschichte von Machterwerb und Machterhalt. Und sie ist männlich.

Das ist nicht genug.

Liebe ohne Ende

Deine Barbara

Barbara Sennert
Krafttier Faultier. Zaunreiterin. Reichlich Abenteuerlustig.

Meine Lieblingsfragen im Leben waren schon immer „Wer bin ich?“ und „Was tu’ ich hier?“.

Mein erster Blog titelte “Her mit dem schönen Leben!”.

Mit mir lässt sich gut tanzen und bis zum Morgengrauen durchquasseln über Gott und die Welt. Mit mir lässt sich auch gut wüten und zürnen. Ich mag Tacheles - offen, ehrlich und gerade heraus. Auf jeden Fall ist mit mir gut ankommen. Nicht erst, wenn... dann… Sondern jetzt gleich hier!

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