Möge die Macht des Faultiers mit dir sein

Die Wahrheit ist manchmal gemein und schwer zu ertragen. Zum Beispiel, wenn ich mich dran erinnere, wie oft ich aus reiner Überforderung meine Kinder angepflaumt habe. Oder wenn ich da sitze und bedauere, dass ich in der Vergangenheit manchmal einfach keine gute Freundin war. Oder in Momenten, wenn ich bis zur Nasenspitze voll bin mit Angst vor allem Möglichen… meinen Job zu verlieren, krank zu sein, Krieg, Armut, dass meinen Kindern was passiert, kein guter Mensch zu sein, nicht genug zu tun… name it.

Und das ist nur das, was in meinem Kopf passiert. Das passiert alles während Familie, Job, Haus und Hof, Freunden, Schulkram (gerade mal wieder viel Schulkram), dem Leben meines Mannes, meiner Kinder, meiner Eltern, …

Ratatazong, möchte mein Körper gerne in Standby gehen.

… und mein Kopf einfach abschalten. Andauernde Präsenz. Immer was zu tun. Erwartungshaltung bis zum Anschlag – in erster Linie meine eigene. Kopf am rotieren.

Normalerweise habe ich mittwochs frei. Das sind eine knappe Handvoll Stunden die Woche, in denen ich ganz alleine zu Hause bin. Nur ich. Nix muss. Zeit für Reset.

Das war aber jetzt zwei Monate einfach nicht der Fall. Ich hatte zwar Urlaub, dafür die Kinder Ferien. Und ich liebe das. Mit den Kindern einfach zu sein, ohne dass was muss. Endlich mal Raum und Zeit für gemeinsam sein, herrlich! Nur tausche ich das in der Zeit gegen meine heilige Routine: Mittwochs frei von allem. Absolute Ruhe im Haus. Und das merke ich gerade. Außerdem mal ganz ehrlich, wirklich gut auf mich aufgepasst habe ich halt auch nicht in den letzten Monaten.

Heute ist Mittwoch. Ich habe ausgeschlafen – was im Moment auch an ein Wunder grenzt. Es ist Erntezeit und wir wohnen neben einem Winzer. Die Erntemaschine hat das Charisma eines Düsenjets und Erntezeit kennt keine Ruhezeit. So ist das eben. Und ich mag meine Nachbarn, und ihr Wein ist großartig.

Alles kommt, bleibt eine Weile und geht wieder.

Den ganzen unangenehmen und lauten Kram, den würde ich natürlich gerne weg haben. Genauso wie diesen verf*** Herpes im Gesicht. Ich kann gerade nicht mal Lachen ohne Schmerzen. Aber so läuft das nicht. Es ist unmöglich irgendetwas vermeiden zu wollen oder dauerhaft zu verstecken – oder ich mich vor irgendetwas dauerhaft zu verstecken. Immer auf Wolke rosarot in Stockwerk 7. Immer strahlender Sonnenschein aus dem Arsch. Idyllische Ruhe und keine Konflikte. Nope. Einfach nope. Die Zeit, in der es endlich mal ruhiger wird oder einfacher, oder … die kommt nicht. Irgendwas ist immer.

Und was bitte hat das alles jetzt mit dem Faultier zu tun?

Das Faultier ist mein Inbegriff für radikale Selbstfürsorge.

Faultiere sind gemütlich. Langsam wirkt das und es ist ungemein kraftvoll. Hast du schon mal versucht, dich supersuperlangsam zu bewegen? Oder von der ganzen Hetzjagd und dem Lärm da draußen einfach unbeeindruckt zu bleiben?

Faultiere hängen rum und schlafen bis zu 15 Stunden am Tag, dann wird gegessen. Alles Essen hängt so in Reichweite rum, wächst quasi schier in den Mund. Außerdem kuscheln sie lange mit ihren Babys. Und sie sind gerne mit sich allein. Und trotzdem schätzen sie die Zeit mit ihren Lieben sehr. Vielleicht gerade weil sie viel Zeit mit sich alleine verbringen. Das kann ich megagut verstehen. Ich bin nämlich supergerne mit mir und genauso gerne auch mit Menschen, die ich mag.

Außerdem haben es Faultiere einfach voll drauf, mit ihrer Energie ordentlich zu haushalten. Ich nicht so. Ich merke oft erst, dass es mal wieder Zeit ist für Ruhe und Selbstfürsorge, wenn ich es lang genug nicht getan habe. Wie soll das auch gehen? Ständig einfach lässig rumhängen. Und das als Grundeinstellung, nicht als besondere Auszeit? Volle Kanne meine Werte leben, mein geiles Leben! Hang loose.

Wie geil wäre das?! Wie viel entspannter wäre das? Erledigt sich auch dann alles, wenn ich es einfach chilliger tue? Oder manche Sachen einfach liegen lasse? Oder Sachen mache, die ich gerne mache, ohne dass sie irgendeinen Zweck verfolgen? Ha! Da springt direkt mein Kopfkino an. „Nichtsnütziges Ding!“, „Das geht doch nicht!“, „Was erlaubst du dir?“, „Und was, wenn es eben nicht klappt?“…

Ja! Genau!

Oder?

Was, wenn das doch geht?

Was, wenn ich mir das erlaube?

(Uiuiui, wird`s an der Stelle noch jemandem flau im Magen?)

Was, wenn es klappt?

Und was, wenn ich überhaupt zu nichts Nutze sein müsste, zu nichts zu gebrauchen? Wenn ich nichts beweisen müsste? Wenns einfach reichen würde, da zu sein und zu atmen, zu essen und zu kuscheln und Zeit mit den Lieben zu verbringen. Wie schön wäre das?!

Das Faultier. Radikale Selbstfürsorge. Im Innern einfach total stabil gechillt. Mit sich selbst im Reinen. Weniger „oh mann, schon wieder“, mehr „ok“. No hustle. No need.

Und wenn`s mal wieder gar nicht klappt mit der Selbstfürsorge, dann erinnerst du dich an das Faultier. Und ich wette, das macht dir keine Vorwürfe, dass du es mal wieder hast schleifen lassen, das Chillen ;)

Alles kommt, bleibt eine Weile und geht wieder. Wie Wellen oder Wind oder Regen oder Sonne. Da gibt es auch Sturm und Trockenheit, Flut und Sonnenbrand. Aber nie auf die Dauer.

Was tut dir dann gut? Was wünscht sich dein Energiehaushalt? Wenn es eben ist, wie es ist, dann ist es die Art, wie du damit dealst, die den Unterschied macht. Sei lieb zu dir. Wird schon werden :-*

Shaka und Liebe ohne Ende,

Deine Barbara

Faultierbild zum Artikel

Barbara Sennert
Krafttier Faultier. Zaunreiterin. Reichlich Abenteuerlustig.

Meine Lieblingsfragen im Leben waren schon immer „Wer bin ich?“ und „Was tu’ ich hier?“.

Mein erster Blog titelte “Her mit dem schönen Leben!”.

Mit mir lässt sich gut tanzen und bis zum Morgengrauen durchquasseln über Gott und die Welt. Mit mir lässt sich auch gut wüten und zürnen. Ich mag Tacheles - offen, ehrlich und gerade heraus. Auf jeden Fall ist mit mir gut ankommen. Nicht erst, wenn... dann… Sondern jetzt gleich hier!

https://www.bq-sennert.de/barbara-sennert
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...von geklauten Begriffen, verdrehter Logik und dem Moment, in dem Menschlichkeit zum Schimpfwort wurde...