Ich kann nicht anders. Ich drücke mich in Leben aus.

Ich gehe ins Nebenzimmer mit den Worten: „Mal sehen, ob sich etwas schreiben will.“ Den Satz nehme ich doch direkt. Mal sehen, wohin uns das heute führt.

Es tönt im ersten Moment eigenartig: „ob sich etwas schreiben will“, beschreibt allerdings sehr gut, wie ich schreibe. Und offen gesagt auch, wie ich lebe. Ich habe keinen Plan. Ideen ja. Pläne? Da halte ich es mit dem geflügelten Wort:

„Ich plante und Gott lachte.“

– und Göttin auch ;) Zu oft in meinem Leben hatte ich fixe Ideen, habe mit viel Einsatz viele Ressourcen verbrannt, weil ich mir etwas zefix noch mal in den Kopf gesetzt hatte. Und dann setzte mich das Leben auf den Hosenboden.

Macht nix, möchte nichts davon missen, würde nichts anders gemacht haben wollen. Gibt so Dinge, die wollen einfach gemacht werden – selbst wenn es einem schon im Vorhinein schwarnt, dass das vielleicht doch eher in die Kategorie Schnapsidee fällt. Egal. Gehe zu Deichkind und „Leider geil“ oder zu Edith Piaff und

„je ne regrette rien“.

Es ist ein bisschen wie mit dem Rucksackreisen. Du hast deinen Rucksack, du hast eine wage Vorstellung von Land und Leuten. Und dann gehst du los. Kommst in Bangkok an, besagter Rucksack nicht. Gehst dahin, wo es dich hintreibt. Triffst auf Menschen, driftest wieder auseinander. Hast Vorstellungen und lässt sie vom Leben übertreffen. Das Gepäck kam dann doch noch an – drei Tage nach mir.

Worauf ich hinaus will: Nicht ich drücke mich aus. Es drückt sich durch mich aus. Nicht ich bin die Texterin. Ich bin Mittelsfrau. Durch meine Hände auf der Tastatur verwandeln sich Worte in Sätze.

Ich mache keinen Sinn.

Das, was es bei dir macht, wenn du es liest, macht den Sinn. Wenn es dich erreicht. Wenn du es mit deinen Sinnen wahrnimmst. Wenn es dich berührt. Das macht Sinn. Oder halt nicht. Auch ok. Was sich durch mich ausdrückt und was es bei dir auslöst, hat mitunter überhaupt rein gar nichts miteinander zu tun.

Ich weiß, wenn ich beginne zu schreiben, meist selbst nicht genau, wohin es führt. Die Bilder formen sich und gießen sich in Text. Ich war mal in einem Kurs, um zu lernen, wie man ein Buch schreibt. Meine Lehrerin sagte damals: „Stell dir vor, Bücher sind magische Wesen. Die Geschichten schwirren da draußen herum. Die sind alle schon da. Das dumme ist nur, sie können sich nicht selbst schreiben. Sie brauchen jemanden, durch den sie ihren Weg in eine Form finden, die mitgeteilt werden kann.

Und da kommst du Spiel.“*

Stell dir das mal vor: Alle Geschichten, die auch nur im Entferntesten vorstellbar oder unvorstellbar sind, die sind einfach da und warten nur darauf, dass der passende Wirt kommt, durch den sie lebendig werden können. Magick. Und wenn ich es mir recht überlege, dann glaube ich gilt das nicht nur für die geschriebenen Geschichten, sondern auch für die gelebten.

Was, wenn es gar nicht um mich geht. Oder um dich. Sondern nur darum, was sich in diesem Moment im Raum ausdrücken will. Und das können wir dann wahrnehmen, gleich wie flüchtig es ist. Wir können es auch festhalten und Geschichten drum herum bauen. Das ist sensationell spannend und ich staune immer wieder über die Vielheit der Kompositionen, die sich daraus ergeben. Und nicht nur die romantisch schönen, sondern auch die Kakophonien.

Auf die ich absolut null Einfluss habe – und auch nicht nehmen will. Viel zu komplex, zu ungewiss, zu unüberschaubar. Da ist einfach Leben und das drückt sich durch mich aus. Und durch dich. Es drückt sich durch alles und jeden aus. Pflanzen, Menschen, Tiere, Jammerer, Meckerer, Schimpfnasen, Staunende, Liebende, Lustige. Durch Sensible und Klötze gleichermaßen. Das ist so. Es geht nicht anders.

Und nie geht es dabei um dich oder mich allein,

nicht woher wir kommen, nicht wohin wir wollen. Es geht um die Szenerie, die Atmosphäre in diesem flüchtigen Moment der Wahrnehmung – einem Ort in Raum und Zeit und jenseits davon, an dem wir kurz innehalten und einen Blick auf eine Geschichte werfen. Und es geht darum, wie diese Szene auf dich wirkt und auf mich. Ein bisschen Theater. Akt 3, Szene 4. Und darüber können wir uns dann unterhalten oder darüber schweigen. Ganz ohne befindlichkeitsfixierten Firlefanz, ganz ohne Schuldzuweisung und Vorwurf. Einfach als etwas, das im Raum steht. Einfach als etwas, das sich zeigt oder unausgesprochen bleibt. Und das sich für dich vielleicht phänomenal anders darstellt als für mich. Aber darauf kommt es ja auch gar nicht an. Weil es nicht um richtig geht und auch nicht um falsch. Weil es nicht um dich geht oder um mich.

Ich nehme etwas auf. Einen Faden. Einen Stein. Eine fixe Idee. Und darüber passiert dann etwas. Das Leben verschafft sich Ausdruck. Es schreibt Geschichten. Und wir sind die, durch die diese Geschichten lebendig werden. Und sie bekommen völlig unterschiedliche Farben, je nachdem wie wir sie uns und anderen erzählen oder über sie schweigen.

Ist das alles nicht irgendwie magisch?

Liebe ohne Ende,

Barbara

P.S.: Hast du zufällig Sophies Welt bis zum Ende gelesen?

* Kleine Sidestory am Rande zum Thema Bücher sind Wesen, die da draußen herumschwirren, bis sie den passenden Wirt gefunden haben:

Als ich 2007 aus Neuseeland zurückkam, habe ich meine Heimat mit ganz neuen Augen gesehen. Schönheit, die ich vorher gar nicht wahrnahm, weil es einfach so selbstverständlich war, wie es eben war. Ich befasste mich mit Sagen und Mythen und dachte so bei mir, wie schön es doch wäre, es gäbe ein Buch dazu. Ich selbst habe es nie fertiggebracht.

Als wir 2022 aus Zypern zurückkamen, saßen wir – zurück in selbiger Heimat – in einem Kaffee. Und dort lag ein Flyer aus über ein Buch. Ein Buch über die Sagen in meiner Heimat. Und ich freute mich so sehr für das Buch, dass es nun doch jemanden gefunden hat, durch den es die Welt bereichern kann.

Hier geht es zum Buch:

Clarissa van Amseln, Der Sagenschatz des Landkreises Hassberge

Barbara Sennert
Krafttier Faultier. Zaunreiterin. Reichlich Abenteuerlustig.

Meine Lieblingsfragen im Leben waren schon immer „Wer bin ich?“ und „Was tu’ ich hier?“.

Mein erster Blog titelte “Her mit dem schönen Leben!”.

Mit mir lässt sich gut tanzen und bis zum Morgengrauen durchquasseln über Gott und die Welt. Mit mir lässt sich auch gut wüten und zürnen. Ich mag Tacheles - offen, ehrlich und gerade heraus. Auf jeden Fall ist mit mir gut ankommen. Nicht erst, wenn... dann… Sondern jetzt gleich hier!

https://www.bq-sennert.de/barbara-sennert
Weiter
Weiter

Solange du noch manifestierst, manifestiert sich nichts als das Wollen von etwas, das du nicht hast.